Cody-Kite

English version click here

Bitte etwas Geduld, es werden gerade insgesamt 226 kB geladen und entpackt...


Dieser Drachen wurde von Hans-Peter Böhme 1996 aus dem Besitz von Sam Cody bei Sotheby`s ersteigert. Die Segelform ist, mir jedenfalls, völlig unbekannt. Das gute Stück dürfte so an die 90 Jahre auf dem Buckel haben.
Der Gedanke, daß CODY PERSÖNLICH diesen Drachen in der Hand gehabt hat, ist schon ein erhebendes Gefühl.
Das Gestänge ist komplett aus Bambus und mit interessanter Verbindungstechnik gebaut worden. Das Segel aus Segeltuch ist teilweise etwas ramponiert, aber sonst erstaunlich gut erhalten und sehr robust. Auch die technische Ausführung der Stabtaschen ist aufwendig.

Cody von hinten  13kB jpgCody, Seitenansicht   11kB jpg

Bild 1. Links: Cody frontal von hinten Bild 2. Rechts: Seitenansicht

Cody, linker Fluegel  14kB jpgCody, rechter Fluegel  13kB jpg

Bild 3. Links: Linker Flügel, vom Zahn der Zeit benagt. Bild 4. Rechts: Rechter Flügel


Dies ist keine Bauanleitung, sondern mehr eine Konstruktionsbeschreibung.

Wichtig: Alle Masse, die bis jetzt unten bei den Übersichtszeichnungen angegeben sind, sind Nettomasse, die sich nach dem Zusammennähen ergeben. Auch bei den Mittel- und Seitenzellwänden, die einzeln gezeichnet sind, muss 2cm an den Verbindungskanten addiert werden. Bei den Detailzeichnungen wird dies selbstverständlich berücksichtigt . Aber eine Plausibilitätskontrolle sollte trotzdem vorsichtshalber gemacht werden, wenn dieser Drachen nachgebaut werden soll. Die folgenden Übersichts-Zeichnungen beschreiben also, wenn nicht anders angegeben, den zusammengebauten Zustand.


Übersichtszeichnungen:

Cody    15kB gif

Abb.1. Obere Zellwände, von oben gesehen

Die weissen vertikalen Auslassungen in den Segeln bezeichnen die Positionen für die Stabtaschen. Die beiden jeweils in den großen Flügeln parallel liegenden paarigen Stabtaschen beinhalten breite gebogene Bambusprofile als Segellatten, um damit eine Art Tragflächenprofil zu erzeugen.


Untere Segelzellwände   8kB gif

Abb.2. Die unteren Zellwände, von unten gesehen

Die mittleren Segelteile sind aus jeweils vier Einzelteilen mit Kappnähten zusammengesetzt, wohl um durch Flattern bedingtes Ausdehnen zu verhindern.

Unterseite Vorderzelle 15 kB jpg

Bild 5. Unterseite Vorderflügel


Seitenwand    3kB gif

Abb.3. Seitenwand

Abgebildet ist, von der Draufsicht aus gesehen, die vorde linke Seitenwand. Die anderen Seitenwände müssen entsprechend spiegelverkehrt gedacht werden. Die Verstärkung 7.5 x 14.0 hinter dem Durchbruch für die Spreizen sitzt jeweils auf der Innenseite des Segels.

Vordere Mittelzellwand   4kB gif

Abb.4. Vordere bzw. hintere Mittelzellwand

Hier sind die Bruttomasse angegeben; dieses Segel wird auf dem 0.5 cm breitem Saum an die Ober- bzw. Unterdecke der Zellen angenäht.


Frontschau Cody   3kB gif

Abb.5. Frontansicht

Die vorderen Spreizen sind jeweils um die 260 cm lang, die hinteren ca. 200 cm lang. Die Überalleslänge beträgt 190 cm (Längsstäbe).
Die vordere Flügelabspannung ist gestrichelt gezeichnet. Die Abspannung geht jeweils von beiden Enden der äusseren Segellatte mit jeweils einer Abspannschnur zum unteren Flügelende.

Die Spreizen stecken unten direkt in den durch die Kantenbänder gebildeten Schlaufen, oben werden die Spreizen über Hanfschnüre, die an den Kantenbandschlaufen befestigt sind, gespannt.
Die seitlichen Zellwände sind im Gegensatz zu üblichen Cody-Kites nicht parallel.
Die halbkreisartigen Markierungen bezeichnen die Stellen, wo die Taschen für die Längsstäbe angenäht werden. Die Taschen für die Segellatten werden von außen auf die Flügel, die Taschen für die Längsstäbe werden jeweils zwischen Flügeldecke und Seitenwand angenäht. Alle Taschen sind aus 4cm breitem, sehr festem Kantenband .


Material:

Das Segel besteht aus sehr fein gewebtem Nesseltuch, ist steif (Alter ? Imprägnierung ?). Die Kanten- und Gurtbänder sind aus festem Baumwollmaterial. Die Stäbe sind aus unterschiedlich dickem Bambusstäben, die wenigen Abspannungen und die Waage aus 2 mm Hanfschnur.


Allgemeine Konstruktionshinweise:

Alle Segelteile sind vor dem Zusammenbau mit Nahtband umsäumt worden. Es wird also immer Nahtband auf Nahtband und nie Segel auf Segel genäht. Das Nahtband wird immer an jeder Seite ca. 10cm länger als notwendig bemessen, um Zusatzschlaufen für das Gestänge zu erhalten.


Details:


Detail Flügelspitze u. Stabtasche  8kB gif

Abb.6. Untere Flügelspitze mit Stabtasche. Die Tasche ist hier der Deutlichkeit halber im nichtangenähtem Zustand gezeigt.

Tasche  16kB jpg

Bild 6. Durchbruch mit Tasche

Einzelteile:

Vorbereitung der Flügelspitze:

Vorbereitung der Stabtasche:

Zusammennähen:


Oberer Flügel, hinten   14 kB gif

Abb.7. Halbe hintere Flügeldecke oben (andere Hälfte kann gespiegelt werden)

Einzelteile (nur Flügelspitze und Tasche):

Tasche  19kB jpg

Bild 7. Flügel mit Tasche


Vorderer Flügel  16kB gif

Abb.8. Halbe vordere Flügeldecke oben (andere Hälfte kann gespiegelt werden)

Einzelteile (nur Taschen):

Die Taschen für die Segellatten sind an der Spitze durch das umlaufende Kantenband geschlossen und oben auf dem Flügel aufgenäht

Zur Beachtung:
Die Nähkante für die Stabtasche verändert ihre Breite. Von rechts: Am Durchbruch Breite = 9 cm, über der Falte 10 cm, über der ersten Stabtasche 7 cm, über der zweiten Stabtasche 6.5 cm und an der Schlaufe wieder 9 cm. Dadurch liegt die Spreize enger an den Segellatten an.

Tasche

Bild 8: Tasche Hauptflügel


Längsstäbe:

Hier bin ich doch etwas ins Grübeln gekommen. Das Prinzip ist einfach: Alle Stäbe bestehen aus zwei Teilen, werden an den Enden ca. 5 mm tief mit einer Rundraspel bzw. -feile eingekerbt, mit Hanfschnur abgebunden und in Schlaufen eingehängt. Durch das Aneinanderveschieben der unterschiedlich langen Stäbe werden die Zellen auf Spannung gebracht. Vordere und hintere Zelle sind 62 cm von einander entfernt.

Längsstäbe   2kB gif

Abb.9. Längsstäbe

B: Untere Stäbe (Bambus):

Durchmesser 13 -15 mm , Hauptstab ca 177 cm lang, Nebenstab (ca. 44 - 48 cm) liegt parallel gebunden soweit verschoben in der Tasche der hinteren Zelle, daß sich eine Gesamtlänge von 190 cm ergibt.Überlappender und abgebundener Bereich ca. 17.5 cm.

A: Obere Stäbe (Bambus):

Durchmesser ca. 10 mm, also dünner wie die unteren Längsstäbe, Hauptstab ca. 137 cm, Nebenstab ca. 100 cm, überlappender und abgebundener Bereich ca. 23.5 cm bei 190 cm Gesamtlänge. Die Längsstäbe bestehen also aus einer Kombination von längerem und kürzerem Stab, wobei bei den oberen Längsstäben das längere Ende einmal vorne und auf der gegenüber liegenden Seite einmal hinten ist (Gewichtsverteilung ? Verwindungssteifheit ?).

Bezeichnend ist, daß der ganze untere Bereich des Drachens (Segel und Stäbe) sehr viel stärker ausgelegt ist als der obere Bereich.

Bambusspitze  10kB jpg

Bild 9. Längsstabspitze


Segellatten:


Segellattenbefestigung  10kB jpg

Bild 10: Segellattenbefestigung

Insgesamt werden acht Segellatten verwendet, sechs im vorderern Flügel, zwei in der Mitte des hinteren Flügels. Grundsätzlich sind alle Segellatten aus 2 cm breiten und 0.5 cm hohen Bambusstreifen geschnitten. Auf einer Seite sind alle Latten ca. 5 mm tief halbkreisförmig eingekerbt; dort wird die Spannschnur übergelegt. Die Spannschnur (Hanf 2 mm) ist mit einer dicken Nadel durch das Taschenende durchgenäht worden. Alle Taschen für die Segellatten sind auf der nach aussen, von der Drachenmitte weg, weisenden Seite geschlossen. Die Taschen selbst sind aus 4 cm breitem Baumwollband und liegen immer auf der Aussenseite der Flügel (siehe Abb.5).

Segellatten für Mittelwand vorne und hinten: 4 x 66 cm
Segellatten für Hauptflügel vorne : 4 x 98 cm


Spreizen:

Alles was jetzt kommt, ist reine Spekulation. Die Spreizen sind nämlich irgendwie abhanden gekommen (vielleicht schon vor fünfzig Jahren); daher mußte ich hier etwas improvisieren. Die Länge der Spreize war hier das einfachste: die vorderen Spreizen sind mindestens 260 cm lang, besser noch 10 cm dazu, die hinteren ca. 200 cm lang und auch hier würde ich noch 10 cm dazugeben. Ein Durchmesser der Bambusstäbe von 2 cm hat zum Spannen völlig ausgereicht. Die Enden sind jeweils wie die Längsstäbe eingekerbt und umwickelt. Die Stäbe werden unten in die Schlaufen eingehängt und oben mittels einer Schnur gespannt.
Ob beide Spreizen in der Mitte zusammengebunden waren oder nicht, kann ich nur vermuten.


Abspannnung:

Die äussere Segellatte des Hauptflügels (siehe Abb.1: Positionen A und B) ist an beiden Seiten mit der Spitze des unteren kleinen Flügels (siehe Abb.2: Position C) durch zwei 120 cm lange Abspannschnüre verbunden. Die Abspannung besteht aus 2 mm starker Hanfschnur. An den Punkten A und B sind am Flügel jeweils 6 cm lange Bänder als Schlaufen angenäht. An Punkt C sind die Abspannschnüre mittels einer dicken Nadel durch die Stabtasche genäht worden. Siehe hierzu auch Abb.5.
Zwischen vorderer und hinterer Zelle werden diese längst der Stäbe gespannt. Dazu sind an den Stabtaschen jeweils 10 cm lange Bänder teils angenäht, teils aus überstehendem Kantenband genäht worden. Der Abstand zwischen Vorder- und Hinterzelle beträgt überall 62 cm.


Waage:

Die Waagenschnur ist wiederum aus der 2 mm Allround-Hanfschnur hergestellt worden. Die Waagenanordnung selbst ist für einen Cody ungewöhnlich; eine Waagenschnur verbindet die beiden vorderen Endpunkte der unteren Längsstäbe und eine weitere verbindet an den gleichen Stäben die vorderen Punkte der hinteren Zellen miteinander. Zumindest die Waagepunkte sind die gleichen wie bei den bekannten Cody-Konstruktionen (siehe auch Abb.2). Beide Schnüre hat Cody dann einfach mit einer einfachen Schlaufe zusammengeknotet, so dass alle Waagenschenkel in einem Punkt zusammenlaufen.
Die vorderen Waageschenkel sind jeweils 84 cm lang, die hintere Länge muss zwischen 137.5 cm und 142 cm gelegen haben. So genau lässt sich das nicht mehr feststellen; die hinteren Waageschenkel sind beide gerissen und durch die beim Riss entstandene Dehnung leicht unterschiedlich lang. Wie alle Cody-Konstruktionen, die sich dicht am Original halten, sind die Waageschenkel für die Drachengrösse ungewöhnlich kurz.


Weitere Informationen über S. F. Cody und seine Drachen:

Bücher:

Magazine:

Internet:


©1997 Thomas-Michael Rudolph