Was soll man hierzu noch schreiben ? Im Prinzip ist alles schon mal gesagt worden. Daher hier nur kurz ein paar Impressionen.
Wie jedes Jahr sind wir (eine Gruppe von zwölf
Berliner Drachenfliegern) schon eine Woche vorher am Sonntag nach
Fanø gereist. Schon auf der Fähre wurde nach Drachen auf der
Insel Ausschau gehalten - ab Esbjerg war jeder von uns vom Fieber gepackt.
Schlüssel abgeholen, Hütte angegucken und Klamotten ins Zimmer
packen, war das Werk von ein paar Minuten, und dann gings sofort an den
Strand.
Hier standen wir nun erstmal eine Weile sprachlos, noch leicht benommen
und müde nach der siebenstündigen Fahrt und konnten es kaum fassen,
wieder auf Fanø zu sein.
Bei strahlendem Wetter wehten kräftige 5 Bft. Nicht gerade was für
Berliner Drachen. Mit skeptischer Miene ließ man im Geiste die mitgebrachten
Drachen Revue passieren. Jedes Mal nehme ich mir vor, speziell für
Fanø einen Kastendrachen zu bauen, ,jedesmal schiebe ich dieses
Projekt, wieder zu Hause angekommen, ein halbes Jahr hinaus, bis es dann
zu spät ist.
Also wurden die Matten ausgepackt. Hier zeigte sich sogleich, welche Drachen
fanø-tauglich waren. Flowforms mit großen hohen Lufteintrittsöffnungen
hatten beim Start keine Chance. Der verwirbelte Wind in Bodennähe
drückte die Leitkantenoberseiten immer nach unten, so daß die
Profile sich nicht füllen konnten. Also wieder rein inn Sack ! Die
zweite Matte, nur schlappe 7 m² groß, entwickelte einen derartigen
Druck, daß meine 220 kp-Leine riß und ein Spurt, zum Glück
landeinwärts, angesagt war. Danach sollte mein Leichtwind-Cody (35
cm-Zelle, großer Flügel, Topsegel und 6 mm (!) CFK Gestänge)
seinen Fanø-Test bestehen. Tat er dann auch; mit Sturmabspannung,
in ca. 60 m Höhe und bei stärksten Böen stand er stundenlang
fast senkrecht ruhig über uns, bis ihn dann ein kreisender Delta-Vogel
in der Luft regelrecht zerfetzte. Naja, die paar Löcher im Segel und
die zerbrochenen Spreizen waren mir das Experiment wert. Man kann also
auch sehr leicht und trotzdem windfest bauen. Beim Cody, den ich übrigens
nur an den zwei vorderen Waagepunkten (die allerdings etwas zurückgesetzt)
geflogen habe, riß mir zwischendurch noch eine 80 kp-Waagenschnur,
danach noch die 150 kp-Flugleine, beide Male bezeichnenderweise nicht an
Knoten oder ähnlichen Stellen. Wenn eine Dacron-Schnur fünf Jahre
alt ist und häufig geflogen wurde, sollte man sie eigentlich entsorgen
(weiß ich jetzt).
Danach hatte ich erstmal keine Lust auf Experimente und ließ den bewährten Steiff-Roloplan (Spinnaker-CFK-Nachbau 2,40m) hinauf.
Dieser Drachen erstaunt mich immer wieder
und ich bekomme von Jahr zu Jahr immer mehr Respekt vor seinen Konstrukteuren.
Die Rolos stehen bei stärkstem Wind wie eine EINS, wenn alles andere
um sie herum wild umhertobt. Wenn man mal von ein paar riesigen flachprofiligen,
in großen Höhen fliegenden Parafoils ab 10 m² absieht,
zu denen ich ein paar Mal fast neidisch emporgeschaut habe (hat jemand
einen Bauplan für eine George Ham - Parafoil ?), gehörten die
Rolos mit zu den stabilsten Teilen am Himmel.
Ein wunderschönes und beeindruckendes Bild am Himmel konnte man am
Dienstag sehen, wo die Hamburger und Bremer Drachenfreunde insgesamt
neun Rolos über ihren Häusern in den Abendhimmel gestellt hatten.
Gerade an diesem Abend kamen wir alle aus der Drachenausstellung in der
Bibliothek von Nordby, wo Hans Snoek eine kleine aber feine Sammlung von
drachenhistorischen Bildern, Videos und Modellen präsentierte, unter
anderm auch einen Original-Steiff-Roloplan, zudem noch fast neuwertig.
Diese Ausstellung, so überschaubar sie auch war, setzte einem schönen
Flugtag ein kleines Sahnehäubchen obendrauf. Ein Kompliment und Dank
an Hans, der hier täglich zwischen 18 und 20 Uhr den zahlreichen Besuchern
Rede und Antwort stand.
Eine willkommene und vor allen Dingen nächstes Jahr wiederholenswürdige
Abwechslung nach täglich neun Stunden Drachenfliegen am Strand !
Abb.1.Hans Snoek während der Ausstellung
Mittwoch abend flaute der Wind etwas
ab, so daß wir nach dem Abendbrot noch eine zweite Schicht Drachenfliegen
bis 24 Uhr einlegten. Selbst gegen Mitternacht braucht man in diesen Breitengraden
keine Lampe zum Ein- und Auspacken. Endlich konnten die großen Lynn-Boxen
aufgebaut werden. Bei Windstärken um die zwei Bft. flog diesmal ALLES,
sogar meine hochprofiligen Flowforms.
Donnerstag fühlten wir uns dann wie zu Hause: kein Wind !
Der mitgebrachte Sauls (Zellenhöhe 1.40m, Spannweite 5.40m) wollte
zwar nicht fliegen, mußte dann aber als willkommener Schattenspender
herhalten.
Abb.2 Fanø ohne Wind
Freitag nachmittag kam der Regen. Gerade
noch rechtzeitig konnten wir alle Drachen und Leinen bergen und dann gings
los. Auch die Friendship-Party des DCB fiel buchstäblich ins Wasser.
Abends versammelten sich die, die keine Lust auf Versteigerung hatten,
wieder am Strand und liessen bei klarem Wetter und 1-2 Bft. bis nach Mitternacht
die Drachen fliegen.
Sonnabend regnete es ab vormittags; dies hielt uns aber nicht ab,
den großen roten Sauls aufzubauen und ihn seinen eigentlichen Jungfernflug
machen zu lassen. Er flog zwar schon vorher in Stölln, aber nur mangels
ausreichendem Wind ein paar Minuten lang.
Schön zu sehen, wie sich viele Drachenflieger trotz schlechten Wetters
nicht vom Drachenfliegen abhalten liessen. Aber dann ließ der Wind
komplett nach, und einer der heftigsten Regengüsse, die ich jemals
erlebt hatte, durchnäßte uns beim Bergen des Sauls bis auf die
Haut (trotz wasserdichter Kleidung).
Abb.3 Der Sauls, gehalten nicht von Harry himself, sondern diesmal von Bernd Krampitz
Nach dieser Aktion fiel der Abschied von Fanø
nicht mehr allzu schwer. Sonntag früh wurde das Haus geputzt
und Punkt neun Uhr legte die Fähre ab; alle von uns kamen mit, niemand
hatte vorbestellt. 16 Uhr war ich wieder in Berlin.
Ob es in Fanø neue Drachen gab ? Keine Ahnung. Ich habe jedenfalls nicht danach gesucht. Das ist das Schöne in Fanø: wenn man will, kann man sich die Beine ablaufen und sich Drachen über Drachen anschauen, oder sich ohne Stress in Ruhe auf seine eigenen Drachen konzentrieren. Nebenbei lernt man genug Leute kennen.
Aber Fanø hat ja viele Seiten. Ich
denke, Buggy-Fahrer und Lenkdrachenflieger haben Fanø ganz anders
als wir empfunden und das ist auch gut so. Auf jeden Fall sind wir nächstes
Jahr wieder da.
©1997 Thomas-Michael Rudolph